Trainingsbedingungen wie im echten Leben - Artikel Gäubote 12/18

  • Sebastian Spinnler
  • 01.12.2018
  • #SIM

Trainingsbedingungen wie im echten Leben

Nicht nur in der Luft- und Raumfahrt ist Simulationstraining ein wichtiges Instrument. Auch professionelle Rettungskräfte nutzen diese Möglichkeit, um für den Ernstfall zu trainieren. In Stuttgart-Wangen betreiben die Malteser ein Simulations- und Personenschutzzentrum, in dem Notsituationen täuschend echt nachgestellt werden können. Einen solchen Übungsraum für Herrenberg zu schaffen ist eines der Ziele der „Gäubote“-Weihnachtsaktion „Hand aufs Herz“.

Mit seinem etwas in die Jahre gekommenen Cordsofa, der Wohnwand, auf der neben den üblichen Büchern, Schalen und Gläsern sogar eine Orchidee steht und dem Couchtischchen, auf dem Medikamentenschachteln herumliegen, sieht der Raum auf den ersten Blick aus wie ein ganz normales Wohnzimmer. Doch auf dem Sofa liegt ein Dummy. Seine Brust hebt und senkt sich mit ruhigen „Atemzügen“. Würde man seinen „Puls“ messen, wäre der wahrscheinlich auch im grünen Bereich. Doch auf Knopfdruck lässt sich das alles schnell ändern: Die Atmung setzt aus, das Herz rast oder hört ganz auf zu schlagen, der Dummy kann sprechen, stöhnen, lallen und sogar blau anlaufen. Der Raum und der daneben liegende „Vorgarten“ lassen sich zudem durch Licht, Beschallung, Geräusche, Gerüche, Temperatur oder Nebelschwaden verändern. Unauffällig angebrachte Kameras halten das Geschehen fest. 

         

Stimmen aus dem Kontrollraum 

Die Fäden laufen nebenan im „Kontrollraum“ zusammen, wo die beiden Leiter des Zentrums, Notfallsanitäter Sebastian Spinnler und Rettungsassistent Maximilian Hauber, die Regie führen und das Geschehen in Echtzeit an mehreren Monitoren verfolgen. Von hier aus haben sie die Möglichkeit, jederzeit die Bedingungen zu verändern, den Dummy sprechen zu lassen oder „Angehörigen“ Anweisungen zu geben. Die Trainingseinheiten werden zudem aufgezeichnet, so dass die Akteure in der anschließenden Besprechung ihr eigenes Tun genau nachvollziehen können und gegebenenfalls daraus lernen, was sie besser machen können. 

    

Der Einsatz läuft ab wie im wirklichen Leben. Die Rettungskräfte kommen durch den Vorgarten, müssen vielleicht erst einmal im Dunkeln die Klingel finden oder werden von aufgeregten „Angehörigen“ in Empfang genommen. Dann geht es ans Informationensammeln. Alles, was sie beim Betreten vorfinden, kann ein wichtiger Hinweis sein – von den Medikamenten auf dem Tisch bis zum Allgemeinzustand der Wohnung. Ist sie gepflegt oder in verwahrlostem Zustand? Ist Zigarettenqualm in der Luft oder Blut auf dem Teppichboden? Was berichtet der „Angehörige“? Jedes Detail ist ein Puzzlestück an Information; zusammen ergaben sie ein rundes Bild. Denn die Fälle sind von den beiden Instruktoren genau geplant. 

Hier im Simulationszentrum der Malteser werden Rettungsfachkräfte aus- und weitergebildet, das Angebot richtet sich an medizinische Profis. Entstanden ist das Zentrum aus einer Fortbildung heraus, seit 2013 gab es dafür einen eigenen Raum und seit 2016 ist das Simulationszentrum in einem neuen Gebäude in der Ulmer Straße untergebracht. Unter der Leitung von Sebastian Spinnler und Maximilian Hauber finden hier unterschiedlichste Trainings statt, etwa Notfalltraining, Atemwegsmanagement, Crew Ressource Management oder Kurse, die von der American Heart Association zertifiziert sind. „Der Benefit solch einer Simulation für die Rettungskräfte ist enorm“, erzählt Hauber. Geübt wird in Gruppen von maximal vier Personen, wer gerade nicht im Einsatz ist, kann den Kollegen per Video bei der Arbeit zusehen, Notizen machen und daraus nicht selten etwas für sich selber herausziehen. 

    

Die Kameras sind unauffällig und die beiden Instruktoren verstehen es, die Teilnehmer so ins Geschehen zu involvieren, dass diese das Training als täuschend echt empfinden. „Die Gruppe arbeitet alleine, ohne unsere Instruktionen und hat dabei nicht das Gefühl, dass ihnen jemand auf die Finger guckt. Im Kontrollraum sehen wir genau, was passiert und können für Stress sorgen – je nachdem, in welchem Szenario wir uns befinden“, berichtet Sebastian Spinnler. Solche stressige Situationen schaffen er und sein Kollege, indem sie mehrere Dinge gleichzeitig auf die Einsatzkräfte einströmen lassen oder Ablenkungen erzeugen. Ein Spaziergang ist so ein Training nicht, dafür schafft es Sicherheit – für die Rettungskräfte wie für die Patienten. Denn wenn die Helfer den Einsatz als Team hier bewältigen, dann können sie im Ernstfall auf diese Erfahrung zurückgreifen. „Auch können Berufseinsteiger hier im geschützten Rahmen etwas ausprobieren“, sagt Hauber. 

„Das Spannendste an der Geschichte ist, was im Team passiert, wie die Zusammenarbeit und Abstimmung funktionieren“, erläutert Sebastian Spinnler. „So ein Einsatz erfordert ein hohes Maß an Koordination – vor allem, wenn auch andere Dienste wie etwa die Feuerwehr beteiligt sind. Das regelmäßig zu trainieren ist extrem wichtig.“ 

Das in Herrenberg geplante Basisreanimationstraining von Laien und Ersthelfern, das von der „Gäubote“-Weihnachtsaktion unterstützt wird, finden die beiden sehr sinnvoll. „Eine frühe und gute Herzdruckmassage ist bei einem Herzstillstand der wichtigste Faktor. Für den Rettungsdienst sind die Laienhelfer enorm wichtig. Wir verlieren viel Zeit und Chancen, wenn niemand etwas tut“, betonen die beiden. 

https://www.gaeubote.de/Nachrichten/Trainingsbedingungenwie-im-echten-Leben-9129.html

            

Autor 

Jutta Krause    

Erstellt: 8. Dezember 2018, 00:00 Uhr        

Aktualisiert: 8. Dezember 2018, 00:00 Uhr 

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